Die Digitalexperten hinter der Bundesliga. Profifußball goes digital. Dem Jahr 2012 kommt eine besondere Bedeutung zu im deutschen Profifußball. Nicht weil die deutsche Nationalelf Italien durch einen Doppelpack von Mario Balotelli im Halbfinale der Europameisterschaft mit 1:2 unterlag. Sondern weil die Deutsche Fußball Liga (DFL) 2012 die Tochterfirma DFL digital sports gründete – und damit den Grundstein legte, um den Transformationsweg der Digitalisierung erfolgreich zu meistern.

Federführend war dabei die Besetzung der Geschäftsführerposition mit Digitalexperte Andreas Heyden. Im Interview mit web-netz sports liefert der international wertgeschätzte DFL-Protagonist interessante Einblicke.

DFL: Für 36 Proficlubs weltweit und digital am Ball!

Das Selbstverständnis der DFL liest sich auf der Website wie folgt: „Die DFL Deutsche Fußball Liga ist für die Organisation und Vermarktung des deutschen Profifußballs zuständig. … Weiterhin haben die 36 Proficlubs der DFL die Aufgabe übertragen, die aus diesen Spielen resultierenden Medienrechte national und weltweit bestmöglich zu vermarkten.

Im Sinne der Professionalisierung und Spezialisierung hat die DFL verschiedene Tochterfirmen gebildet, um mit fokussierter Kraft die verschiedenartigen Aufgabenfelder bedienen zu können.

DFL erkennt die Dringlichkeit der Digitalisierungsdynamik

DFL Digital Sports Social Media Channels

Bildnachweis: Screenshot dfl.de

Als eine von mehreren Tochterfirmen wurde im September 2012 die in Köln ansässige DFL Digital Sports gegründet – eine stetig wachsende Kompetenz-Crew, die mehr und mehr an Relevanz gewinnt. Dass im wirtschaftlichen Kontext der Digitalisierung eine immer stärkere Bedeutung zukommt, deutete DFL-Geschäftsführer Christian Seifert am 13.02.2019 an, als er die Veröffentlichung des Wirtschaftsreports für 2017/18 auf der DFL-Website mit dem Statement garnierte: „Digitalisierung und Globalisierung werden dem deutschen Profifußball in den kommenden Jahren weitere Chancen eröffnen.“

DFL startet digital durch

Die DFL selbst treibt nicht nur die globale TV-Vermarktung an, sondern beteiligt sich an Sport-Internetfirmen und promotet E-Sport mit der Deutschen Meisterschaft im eFootball mit der TAG Heuer Virtual Bundesliga (VBL).

Virtual Bundesliga

Im Januar startete die DFL die Deutsche Clubmeisterschaft im eFootball. Bildnachweis: Screenshot dfl.de

DFL verlängert langfristig mit „Mister Digital“

Im Kontext dieses Gesamtszenarios passt diese Personalie wie maßgeschneidert: Der Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft der Deutschen Fußball Liga (DFL) verständigte sich Ende Januar mit dem 44-Jährigen Andreas Heyden auf eine vorzeitige Vertragsverlängerung bis zum 30. Juni 2023. Heyden leitet das Unternehmen in Köln, das digitale Inhalte erstellt, Plattformen betreibt sowie das internationale TV-Programm für die DFL erstellt, seit Juni 2015. Die DFL Digital Sports realisiert unter anderem die Präsenz der Bundesliga und der 2. Bundesliga in den digitalen und sozialen Medien in mehreren Sprachen. Unter Heydens Führung konnte die DFL Digital Sports – 2012 gegründet und aktuell mit etwa 75 Mitarbeitern aktiv – die Reichweite der digitalen Kanäle mehr als verdreifachen. Grund genug für web-netz sports, den Protagonisten und Digitalisierungsexperten im Rahmen des SPOBIS 2019 in Düsseldorf zum Interview zu treffen!

Felix Benckendorf und Andreas Heyden

Felix Benckendorff (r.), Leitung web-netz sports, im Gespräch mit Andreas Heyden, Geschäftsführer DFL digital sports. Bildnachweis: web-netz

Interview: 10 Fragen an Andreas Heyden

web-netz: Die Fans global durch attraktiven Content für die Bundesliga zu begeistern, steht auf Ihrem Plan. Wenn Sie sich in Ihre Jugendzeit zurückversetzen, welche Beziehung hatten Sie zum Fußball und zur Bundesliga?

Andreas Heyden: Ich glaube, ich war das einzige private Mal vor meiner DFL-Zeit 1988 bei einem Heimspiel des 1.FC Köln im alten Müngersdorfer Stadion. Ich komme nicht aus dem Fußball, ich bin wegen anderer Kompetenzen zur DFL geholt worden. Mein Fußballwissen ist allerdings stark gewachsen in den letzten Jahren, was nicht heißen soll, dass es nicht noch deutlich ausbaubar ist :).

web-netz: Vor dem DFL-Engagement waren Sie u.a. als CEO bei Maxdome verantwortlich. Welchen Erfahrungsschatz haben Sie mitgebracht zur DFL?

Andreas Heyden: Ich würde die Zeitspanne gerne lieber etwas breiter gestalten. Denn seit 1997 bin ich tief im digitalen Endkundengeschäft unterwegs. Da ging es immer darum, wie kann ich Produkte bauen, wie kann ich Services betreiben, die Kunden wertschätzen, wie kann ich Kunden in diese Services hineingewinnen. Das ist es, was ich mit eingebracht habe in die Orga der DFL. Also das Wissen, digitale Plattformen zu betreiben, die Kompetenz haben, digitale Technologien zu bewerten und auch umzusetzen. Vor Maxdome habe ich Games, Portale und Online-Video-Plattformen gemacht. Es ist also ein sehr weites Feld, aus dem ich Erfahrungen mitgebracht habe.

web-netz: Was halten Sie von „Data Driven Digital Growth“?

Andreas Heyden: Das Schöne ist, und das wird jeder Online Marketing Manager sicherlich bestätigen, dass ich aus Daten Annahmen testen, Erfolg quantifizieren und Wissen für das operative und strategische Management ziehen kann. Die Herausforderung liegt dann darin, aus den Daten Aktionen und Entscheidungen abzuleiten, um seine Ziele zu erreichen. Im digitalen Mediengeschäft bestehen kaum Eintrittsbarrieren, neue Zielgruppen zu erreichen. Zum Beispiel wenn ich den 17-jährigen Fan in Thailand erreichen will, dann habe ich Mittel und Wege, ihn zu erreichen und Daten helfen hierbei, den richtigen Weg in der Umsetzung einzuschlagen. Dabei kann ich über Social Media, Target Advertising, über Drittplattformen etc. gehen und verschiedene Ansätze in der inhaltlichen Umsetzung mit Daten testen und optimieren.

web-netz: Welche Vorgehens- und Verfahrensweise haben Sie im Data Kontext gewählt?

Andreas Heyden: Wir haben uns gefragt, was ist eigentlich die absolute Basis, die wir brauchen? Die Antwort lautet, es ist ein cloud-basiertes Data-Warehouse, dem es egal ist, was seine Inputs sind. Dann haben wir uns alle Trackingsysteme angeschaut und diejenigen abgeschaltet, von denen wir keine Rohdaten bekommen. So speichern wir jetzt seit über zwei Jahren aus allen Trackingsystemen die relevanten Daten in größtmöglicher Tiefe. Fragen, die auftauchen: Inwiefern verhält sich ein Nutzer anders in Thailand als in den USA? Welche Inhalte steigern das Engagement? Wie können wir unseren über 80 Lizenznehmern in 211 Ländern helfen mit Bundesliga-Inhalten noch erfolgreicher zu werden?

web-netz: Das deutet an, dass Data-driven-Denkweisen erforderlich sind, oder?

Andreas Heyden: Wesentlich ist, die Denke „Ich glaube/möchte“ zu verlassen. Vielmehr geht es darum zu akzeptieren „die Daten sagen das“. „Das funktioniert auf Basis dieser Tests“ sind Learnings, die wir im Marketing nutzen. Wir versuchen, chirurgisch vorzugehen, denn das alte Gießkannenprinzip ist tot. Und man muss auch klar sagen, dass uns begrenzte Budgets zur Verfügung stehen, also müssen wir sehr effizient sein. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass es auch Elemente unserer Tätigkeit gibt, die nicht messbar sind, hier ist weiterhin Kreativität, Mut und Intuition gefragt.

web-netz: Welche Kanäle sorgen bei Bundesliga-Fans global für die größte Begeisterung?

Andreas Heyden: Wir clustern da in 3 Kategorien: Einerseits sprechen wir von owned Plattformen mit Web und App, mit natürlich sehr loyalen Nutzern mit hoher Retention Rate. Andererseits sind da die operated Plattformen wie Facebook, Youtube, Instagram, Twitter und Giphy – die wir via Push Marketing aktivieren. Und drittens sind die third party distribution partnerships im Spiel, wo wir Inhalte auf Drittplattformen zur Verfügung stellen. Beispielsweise „soccer la duma“ für Afrika https://www.soccerladuma.co.za/ oder „siam sport“ für Thailand http://www.siamsport.co.th/football/bundesliga.

SIAMSPORT Bildnachweis: Screenshot http://www.siamsport.co.th/football/bundesliga

web-netz: Worin bestehen die größten Herausforderungen bei der weltweiten Kommunikation der Marke Bundesliga?

Andreas Heyden: 1,5 Milliarden Menschen sprechen Englisch, 600 Millionen Spanisch, nur 150 Millionen Deutsch. Alles was wir tun, ist also nicht „natürlich“ zugänglich, also für nicht deutsche Muttersprachler schwer verständlich. Jeder versteht einen englischen NBA-, NHL- oder Premier League-Clip, ohne dass dieser übersetzt werden muss. Als deutsches Angebot müssen wir es hingegen lokalisieren oder international nativ produzieren lassen. Das ist die eine Herausforderung. Die zweite besteht darin: Es gibt mehrere Fußballligen, aber nur eine NBA, NHL oder NFL. Im Wettbewerb um das Zeitbudget der Zuschauer und Nutzer stehen wir zusätzlich auch im Wettbewerb zu anderen Entertainmentformen – von Fortnite bis Netflix.

„Im Wettbewerb um das Zeitbudget der Zuschauer und Nutzer stehen wir zusätzlich auch im Wettbewerb zu anderen Entertainmentformen – von Fortnite bis Netflix.“ – Andreas Heyden

web-netz: Gibt es so etwas wie eine Digitalisierungsberatung der Vereine durch die DFL? Wie sehen Sie den Status Quo der Vereine, z.B. im Vergleich mit anderen internationalen Top-Ligen?

Andreas Heyden: Wir glauben sehr stark an Autonomie. Das heißt unsere Gesellschafter, die Clubs, stehen zum einen im direkten Wettbewerb zueinander und ziehen bestimmte Vorteile im Grad ihrer Digitalisierung daraus. Grade im internationalen Wettbewerb machen unsere Clubs digital einen Topjob. Wenn wir zu digitalen Fragestellungen gefragt werden, haben wir eine Meinung und stehen gerne mit Rat und Tat zu Seite.

web-netz: Welche Trends sehen Sie in den nächsten 5 Jahren mit der größten Power im Anflug?

Andreas Heyden: Ganz klar: Jeder wird sagen Machine Learning & AI. Wir haben bereits eigene Video-Produktionsstrecken, wo auf Basis von Fußballdaten und Artifical Intelligence automatisierte Highlights geclipt werden. Das heißt, wenn ich 5 Minuten nach Abpfiff einen Clip haben will, mit den Aktionen aller lateinamerikanischen Player, dann macht das die Maschine für mich. Es ist zwar immer noch nicht perfekt geschnitten, aber schon ein besserer Rohschnitt mit sehr viel weniger Aufwand.

„Wer nicht auf die Fans hört und in der Sprache mit den Inhalten zu ihnen spricht, die sie erwarten, kommuniziert an bestehenden Fans und potenziellen neuen Fans vorbei.“ – Andreas Heyden

web-netz: Warum schreibt man der intelligenten Nutzung von Daten die Schlüsselrolle zu – für digitales Wachstum bei der Internationalisierung der Bundesliga?

Andreas Heyden: Wer nicht auf die Fans hört und in der Sprache mit den Inhalten zu ihnen spricht, die sie erwarten, kommuniziert an bestehenden Fans und potenziellen neuen Fans vorbei. Daten geben uns hier Orientierung, helfen uns, Annahmen in Tests zu validieren und ermöglichen einen Feedbackkanal vom Fan zum Fußball – und steigern damit im Endeffekt den Wert unserer Rechte.

web-netz bedankt sich für das hochinteressante Interview und wünscht Ihnen weiterhin viel Erfolg bei der innovativen Weiterentwicklung auf dem Weg der digitalen Transformation.

Friedhelm

 

Bildnachweis Titelbild: DFL Deutsche Fußball Liga GmbH