Instagram ist in! Mit beeindruckendem Wachstum hat sich die vielversprechende Plattform entwickelt und bietet inzwischen neben Bildern auch immer mehr Raum für Bewegtbild. Nach ersten Kurz-Videos im Feed wurde im August 2016 die Story-Funktion gelauncht und somit die Vereinigung von Video- und Bildinhalten weiter vorangetrieben. Auf Stories folgten im Juli 2017 Carousel-Posts, bei denen bis zu zehn Fotos und Videos in einem Post hochgeladen werden können. Ende Juni 2018 veröffentlichte Instagram mit Instagram TV (abgekürzt IGTV) die nächste Innovation: Videos bis zu 60 Minuten sind damit möglich.  Nicht zuletzt deshalb wird bereits immer öfter von „Instagram First“ gesprochen.

Wir wollten deshalb wissen, ob es „First Mover“ auch in der Fußball-Bundesliga gibt. Und wenn ja, wer sind die Vorreiter von der 1. bis zur 3. Liga? Wie präsentieren sich die deutschen Fußballproficlubs beim Einsatz von IGTV?

So viel vorweg: Zwei Drittligisten deuten Innovationsgeist an und vier Clubs aus der 2. Bundesliga gehen tatkräftiger ans IGTV-Werk als vier Erstligisten, die sich gänzlich verweigern. Wie sind DFB und DFL aufgestellt? Und die finanzkräftigste Liga der Welt, die Premier League, sorgt für eine Sensation. Auch auf einen möglichen Zweikampf zwischen IGTV und YouTube gehen wir ein. Schließlich sprach die Social Media-Szene vor 6 Monaten auch davon, dass IGTV zum „YouTube-Killer“ werden könnte! Aber der Reihe nach… 

Video-Trend liefert Vorschusslorbeeren

IGTV startete mit Vorschusslorbeeren: Mitten in den Trend von verstärkt mobil abgerufenen Video-Inhalten als Lieblingsformat, ließen Videos mit einer Laufzeit von bis zu einer Stunde die Herzen der Hoffnung auf einen Hype höherschlagen.

56 Proficlubs, 25 Mio. Follower, 60 Min., 9:16-Format! Zahlen, die sich auszahlen?

Durch die Einbindung von Instagram TV in die Instagram App oberhalb der Stories hat jeder Instagram User automatisch Zugang zur IGTV-Welt. IGTV ist also sowohl innerhalb des Instagram-Oberfläche als auch als eigenständige App verfügbar. Allein in Deutschland gibt es 17 Mio. monatlich aktive Nutzer bei Instagram. Weltweit sind es 800 Mio. monatlich aktive Nutzer, davon sind etwa 500 Mio. bei Instagram täglich aktiv.

Die Gesamtanzahl der Instagram-Abonnenten aller deutschen Clubs aus den drei Profiligen beläuft sich auf knapp 25 Mio. Nutzer. Vorteil: Die Reichweiten müssen nicht neu aufgebaut werden, sondern der produzierte Content wird der bereits bestehenden Gefolgschaft des jeweiligen Instagram Kanals ausgespielt.

Positive Begleiterscheinung: Die Nutzungsintensität von Instagram steigert sich zunehmend. So hat sich die tägliche durchschnittliche Verweildauer von 2014 bis heute vervierfacht – auf ca. 30 Minuten. Halb so lang wie der durch IGTV bereitgestellte Zeitraum mit der Möglichkeit 60-minütiger Videos. Content-Erstellern bietet sich also deutlich mehr Spielraum in Gestaltung und Umsetzung im Vergleich zu Instagram Stories.

Nächster Vorteil: Keine Drehung notwendig. Im Gegensatz zu YouTube ist die neue App rein vertikal auf dem gesamten Handyscreen im 9:16 Format ausgerichtet. Das Video ist also direkt auf dem gesamten Bildschirm zu sehen ohne umständliches Drehen des Handys in die Horizontale.

BOA! Defensiv-Star Jerome Boateng startet Instagram-Offensive

Instagram-Account von Jerome Boateng

BOA: Jerome Boatengs Instagram-Profil. (Bildquelle: © by instagram.com/jeromeboateng)

Einer der deutschen Fußball-Stars, der die Reichweite von Instagram für seine Online Marketing-Aktivitäten besonders nutzt, ist Jerome Boateng. Der Weltmeister von 2014 hat das Logo seines neuesten Projekts, ein Print-Magazin namens „BOA“, PR-bewusst als Profilbild prominent platziert. Seine 5,9 Mio. Abonnenten im Blick hat der Styling-bewusste Defensivspieler den ersten Schritt einer Instagram-Offensive getan. Als einer der ganz wenigen deutschen Topstars hat Boateng – z.B. im Gegensatz zu Toni Kroos und Mats Hummels – auch die IGTV-App aktiviert, wenn auch noch dürftig mit lediglich 3 Videos. Da lässt der Weltmeister von 2014 noch viel Potenzial ungenutzt, zumal er ja auch mit einer eigenen Brillen-Collection auf dem Markt aktiv ist. Boateng als Indikator für IGTV-Irritation? 

Relevanz dank Reichweite

Niemand bezweifelt, dass sich die Marketing-Relevanz von Instagram in einem stetigen Wachstumsprozess befindet. Privatnutzer, Marken und werbetreibende Unternehmen vieler Branchen sind aktiv, um maximale Reichweite auf der angesagten Plattform zu generieren. Stellvertretend zuletzt auch der OMR-Podcast, als unter dem Buzzword „Mythbusting“ das große Instagram-Potenzial dokumentiert wurde – unterfüttert mit Statements von Heiko Hebig, Instagrams Partnership Manager für Nordeuropa. So hat Instagram z.B. im Vergleich zu YouTube bei der täglichen Nutzung deutlich an Relevanz gewonnen: 60 % nutzen Instagram täglich, YouTube lediglich 45%! 

Nicht mal die Hälfte aller Proficlubs ist auf IGTV vertreten

So vielversprechend Instagram als bei den Usern beliebte Plattform auch ist, die komplette quantitative Erhebung der IGTV-Daten im deutschen Profifußball liefert ein ernüchterndes Bild: Insgesamt nutzen 23 von 56 Proficlubs IGTV. Ein überraschend überschaubares Social-Szenario im Profifußball – denn über Bewegtbild verfügen ja alle Clubs in großen Mengen.

Die Clubs auf einen Blick: Reichweiten-Radar und Video-Volumen

Tabelle: Reichweiten der Instagram Kanäle

Anm.: Dieses Ranking richtet sich nach der Anzahl der Instagram-Abonnenten, da diese gleichzeitig auch das IGTV-Angebot des Clubs empfangen können. Die vollständige Übersicht mit den Platzierungen aller 56 Proficlubs gibt es hier. (Tabelle: © by web-netz)

4 Verweigerer in der 1. Liga
4 Vorreiter in der 2. Liga
2 Experimentierende in der 3. Liga 

Die 23 IGTV nutzenden Fußball-Unternehmen decken rund 23 Mio. der insgesamt 25 Mio. Abonnenten aller 56 Clubs ab. Unter den 33 nicht nutzenden Clubs sind trotzdem vier Erstligisten, die nicht auf das neue Medium setzen. Fleißnoten erhalten die Erstligisten FC Bayern München mit 24 IGTV-Videos, Schalke 04 mit 21, Bayer 04 Leverkusen mit 19 und RB Leipzig kommt auf 18 Bewegtbild-Beiträge. Blickfang in der 2. Bundesliga sind gleich vier Clubs, darunter drei ehemalige Erstligisten: FC St. Pauli, FC Ingolstadt und VfL Bochum.  

SSV Jahn Regensburg stürmt an die IGTV-Spitze

„Überraschungsmeister“ mit den meisten IGTV-Beiträgen in der 2. Liga ist der SSV Jahn Regensburg mit 13 Videos. Ein Ligen übergreifender Vergleich ergibt, dass die genannten vier Zweitligisten in der aktuellen IGTV-Tabelle die Ränge 7 – 10 belegen, also namhafte Erstligisten wie Hertha BSC Berlin (3 Videos) hinter sich lassen. Duplizität der Ereignisse: Die Abschlusstabelle der vorigen Bundesligasaison entspricht auf den beiden vordersten Rängen dem IGTV-Ranking – gemessen an der Anzahl der Videos –  zum aktuellen Zeitpunkt: FC Bayern München als Meister vor Schalke 04 auf dem 2. Tabellenplatz!

Welche Proficlubs haben am meisten Videos auf IGTV?

Tabelle: Anzahl IGTV Videos auf dem Kanal

Die Tabelle zeigt die Anzahl der hochgeladenen Videos auf IGTV. Der FC Bayern München hat mit 24 Videos auf IGTV am meisten Videos produziert und hat mit 14,5 Mio. auch die meisten Abonnenten. (Tabelle: © by web-netz)

IGTV mit Shopping-Funktion

Fußball-Bundesligisten aufgepasst! IGTV ist für Clubs aus einem weiteren Grund doppelt interessant: Merchandising-Potenzial wartet darauf, gehoben zu werden, denn seit März können Instagram-User direkt aus der App heraus einkaufen. Mehr als 90 Millionen Nutzer klicken monatlich mindestens einmal auf das Einkaufstaschen-Symbol. Seit September ist auch das Shoppen in den Stories möglich. Damit nicht genug: Passend zum Weihnachtsgeschäft testet die Plattform seit dem 16. November auch die Einkaufsfunktion in Videos. Lesetipp

Ein Duell ohne Augenhöhe: Instagram vs. YouTube

Ungleiche Gegner: Eine Gegenüberstellung der Abonnentenzahlen macht auf den ersten Blick deutlich, dass jeder Club weitaus größere Reichweiten bei Instagram als bei YouTube besitzt.

Tabelle: Instagram im Vergleich zu YouTube

Das Ranking zeigt die Reichweiten der Proficlubs der 1. bis 3. Liga bei Instagram TV und YouTube sowie die Anzahl der Videos auf dem jeweiligen Kanal. Die vollständige Übersicht aller Platzierungen gibt es hier. (Tabelle: © by web-netz)

Content Casting: IGTV-Ideen der Clubs 

Welche Inhalte werden über den Kanal vermarktet? Aktuell sind es immer noch überwiegend kurze Videosequenzen zu Trainingsinhalten, Videokonferenzen, Spieler- und Faninterviews sowie Transfers.

IGTV: FC Bayern Oktoberfest 2018

FC Bayern München zeigt auf IGTV u. a. den Oktoberfestbesuch in Lederhosen. (Bildquelle: © by IGTV / FC Bayern Official)

Hier ein Auszug unserer qualitativen Content-Untersuchung des IGTV-Nutzungsverhaltens der Proficlubs:

  • Der Kanal des FC Bayern ist international ausgerichtet und ein Großteil der Videos entsprechend englischsprachig, beispielsweise die USA-Reise im Sommer. Entertainment-Content sind zudem Teambesuch-Szenen auf dem Oktoberfest sowie „Lederhosen-Debüts“ von Neuzugängen wie Leon Goretzka.
  • Eintracht Frankfurt bindet Sponsor Deutsche Bank als Presenter ein.
  • Bayer 04 Leverkusen nutzt IGTV auch, um das Merchandising zu promoten, indem der „Christmas Sweater“ angepriesen wird.
  • Auch Schalke 04 hat versuchsweise IGTV entdeckt als Abverkaufsförderungs-Tool und zeigt den „Ugly Christmas Sweater“.
  • RB Leipzig macht seinen Fanshop zum Bewegtbild-Thema mittels „Blick hinter die Kulissen“-Story.
  • Der FC Ingolstadt nutzt Presenter-Sponsorship und geht clever an das neue Videoformat heran, indem die horizontal produzierten Bewegtbilder tricky dargestellt werden.
  • Der FC St. Pauli vermarktet eine Kolumne über Instagram TV mit regelmäßig neuen Inhalten. Unter dem Titel „Sach ma, Matze“ steht Torwarttrainer Mathias Hain in Video-Interviews zu unterschiedlichsten Themen im Mittelpunkt.Wenn Themen wie „Was hat der Standort von Auswärtsgegner Arminia Bielefeld als Stadt zu bieten“ verzeichnet der Kiezklub zwischen 4.000 und 10.000 Videoaufrufen.
  • Der SC Paderborn hat sich als Aufsteiger in die 2. Liga am neuen Kanal versucht, jedoch Anfang August gänzlich ein Thumbnail vergessen, dass das Video anteasert. Seitdem ist auf dem Kanal nichts mehr passiert (1.017 Aufrufe).
  • Drittligist Karlsruher SC beweist zumindest Pioniergeist, auch wenn die sechs Kurzvideos keine Resonanz bei den 37.100 KSC-Abonnenten hervorrufen (zwischen 13 – 311 Aufrufe).
IGTV: FC St. Pauli

FC St. Pauli auf IGTV: Kolumne „Sach ma, Matze“ mit Torwarttrainer Mathias Hain (Bildquelle: © by IGTV / FC St. Pauli)

Content-Vorreiterrolle aus der Premier League

Der englische Topclub Tottenham Hotspur aus der Premier League liefert vor jedem Spiel ein Interview mit dem Cheftrainer Mauricio Pochettino exklusiv vor dem Anpfiff („Mauricios Minute“) und generiert dadurch durchschnittlich ca. 6.000 Aufrufe. Mit 38 Video-Beiträgen nehmen die Spurs damit international eine fleißige Content-Vorreiterrolle ein. Hier der Account von Tottenham Hotspur auf Instagram.

DFL: Digital Football Leadership? 

Welche IGTV-Position nimmt die offizielle von der DFL zu verantwortende Bundesliga ein? Die Kommunikationskanal-Strategie der DFL hat IGTV bis dato nicht auf dem Zettel, lediglich 6 Video-Postings mit Aufrufkennzahlen zwischen 280 und 12.500 zieren das Content-Feld.

Ein internationaler Vergleich mit der beliebten spanischen Elite-Spielklasse ergibt: 23 Video-Beiträge liefert La Liga den 12,2 Mio. Abonnenten. Kommt allerdings auch mit überschaubaren Aufrufzahlen daher: Minuswert 382, Höchstwert 6.179.

Die Premier League in England ignoriert IGTV als Entertainment für seine 21 Mio. Abonnenten ebenso  wie Italiens Topliga, die Serie A – und das trotz Massen- und Kassenmagnet CR7. Oh Mamma mia L. 

DFB: Die IGTV-Wüste nach Russland 

Der DFB als größter Fußballverband der Welt hat seine 2.5 Mio. Instagram-Abonnenten nach drei IGTV-Beiträgen während der verkorksten WM in Russland auf dem Account „dfb_team“ nicht mehr mit Content beliefert. Der Instagram-Kanal „dfb_pokal“ verzichtet gänzlich auf die IGTV App. Dabei ließe sich bestimmt mit den sechs starken DFB Pokal-Sponsoring-Partnern ERGO, VW, Targobank, Deutsche Post, Bitburger und Engelbert Strauss digital einiges aktivieren. Das riecht nach einem erheblichen Vermarktungspotenzial.

Unsere Key-Learnings im Überblick

  • Bis dato hat kein deutscher Fußballproficlub weitreichende Relevanz via IGTV erzeugt. Weder durch Content-Kreativität noch durch Regelmäßigkeit. Auch die DFL oder der DFB nutzen das Potenzial noch nicht.
  • Ein Blick auf die internationale Fußballszene: Es wirkt so, als hätte die gesamte Branche das große Potenzial für sich noch nicht entdeckt: Real Madrid agiert mit nur 6 IGTV-Beiträgen sparsam,Manchester United liegt mit 25 IGTV-Videos auf FC Bayern München-Level. Da geht mehr!
  • Dabei haben die Vereine bereits erhebliche Reichweiten über Instagram aufgebaut und können diese nun nutzen um ihre Fans mit Videoinhalten zu bespielen.
  • Aktivierung von Merchandising: Über die Videos können direkte Verlinkungen zu Produkten oder in den Ticketshop vorgenommen werden.
  • Sponsoren könnten über gezielte Vermarktung im Video besser in Szene gesetzt werden.
  • Bester Content braucht verlässliche Regelmäßigkeit, beispielsweise wöchentliche Kolumnen, um die Nutzer stets an den Kanal zu binden – so wie es der FC St. Pauli (wenn auch nur bedingt regelmäßig) praktiziert.
  • Die Instagram-Zielgruppen konsumieren verstärkt authentisch statt professionell produzierte Videoinhalte – „Vorlage“/Einladung an die Fußballprofis, selfmade Videos aus dem Alltag, behind the scenes etc. zu produzieren.
  • Der Konsum digitaler Videos steigt und steigt, bereits 2020 spielt sich wohl die Hälfte des Videokonsums auf mobilen Endgeräten ab. IGTV ist durch das vertikale Vollbildformat von Anfang an mobil ausgerichtet. Ohne langes Suchen wird direkt nach Öffnen der App das erste Video abgespielt.

Fazit: Deftige Digital-Diagnose 

Kein Zweifel: Die Relevanz von Instagram im Marketing wächst unaufhörlich. Marken und Menschen sowie werbetreibende Unternehmen fast aller Branchen sind aktiv, um maximale Reichweiten auf der Plattform zu erzielen und diese wiederum in Brandbuilding-Erfolge umzuwandeln.

Daher fällt die Digital-Diagnose der Profifußballclubs mit Blick auf die Nutzung des IGTV-Potenzials deftig aus. Zumal die Clubs bei der Influencer-Suche schnellstens fündig werden in den eigenen Reihen – denn die Stars als Spieler/Angestellte des Clubs müssen ja nicht erst noch von außen akquiriert werden. Allerdings sind hier auch vor allem die Club-Verantwortlichen gefordert, den Club-Media-Kollegen die Stars mehr als nur 5 Minuten in der Woche zur Verfügung zu stellen. Da die heutigen Fußballstars praktisch der Instagram-Generation angehören, unterstützen die ihren Arbeitgeber sicher gerne. Und so überrascht es auch nicht, dass erste Fußballer auf Instagram bereits größere Communities besitzen als der eigene Club. Clubs sind hier also dringend gefordert, ihre eigene Strategie zu entwickeln – sonst könnten bald immer mehr Spielermarken in der Vermarktung gefragter sein als die Club-Marke selbst.

Viele Grüße

Bildquelle Titelbild : © by BrAt_PiKaChU / iStockphoto.com