Der Fußball-Bundesligist stieg 2004 mit Kulttrainer Jürgen Klopp in die 1. Bundesliga auf. Vereint in Freud und Leid: Mit „Kloppo“ stiegen die Mainzer 2007 ab und 2008 postwendend wieder auf. Seitdem sind die 05er fester Bestandteil der 1. Liga. Auch Thomas Tuchel feierte seine Trainer-Premiere in der Bundesliga bei den 05ern. Mit etwa 200.000 Einwohnern genießt der Klub aus der Landeshauptstadt von Rheinland-Pfalz ein durchweg positives Image – geprägt von Sympathie und Bodenständigkeit. Ebenso verbinden viele mit dem FSV Mainz 05 auch den geselligen Claim, ein Karnevalsverein zu sein. Leistungssportlich betrachtet stehen die 05er seit ihrem Bundesligaaufstieg vor allem auch für effizientes sportliches Ausschöpfen wirtschaftlichen Potenzials. Im web-netz Interview mit den Geschäftsführern Dag Heydecker und Tobias Sparwasser stehen Marketing- und Social Media-Themen auf dem Matchplan.
web-netz: Sehr geehrter Herr Heydecker, im Sommer 2009, mitten in der Weltwirtschaftskrise, kurz vor dem Saisonstart, stand Mainz 05 ohne Hauptsponsor da. Mit Entega-Geschäftsführer Karl-Heinz Koch hatten Sie dennoch rechtzeitig zum Saisonstart das Sponsoringpaket als neuer Trikot-/Hauptsponsor gestemmt. Ein Brustlöser, die blanke Trikotbrust rechtzeitig beflockt zu haben.
Dag Heydecker: „Es war keine Extremsituation und wir hatten damals auch zu keinem Zeitpunkt Angst, ohne Hauptsponsor in die Saison zu gehen. Die Gespräche mit Entega liefen schon lange und das auf sehr positiver Basis. Für uns war und ist diese Partnerschaft ein absoluter Glücksfall, denn mit Entega handelt es sich um ein Unternehmen aus der Region, dass ähnliche Werte wie wir hat.“
web-netz: Wie beschreiben Sie seitdem die Entwicklung von Mainz 05 als Marke und interessanter Partner für Unternehmen?
„Besonders im Punkt Nachhaltigkeit waren wir uns schnell einig – deshalb haben wir gemeinsam mit Entega die ‚Mission Klimaverteidiger‘ ins Leben gerufen und es geschafft, der erste klimaneutrale Verein der Bundesliga zu werden. Dass unsere Partnerschaft auch nach Ablauf des Hauptsponsoring-Vertrags weiter besteht, bezeugt diese enge Zusammenarbeit.“
web-netz: LED-Bandenwerbung hat im Vergleich zur statischen Bande neue Vorteile für Sponsoren gebracht. Sponsorenpakete haben sich durch die Digitalisierung stark verändert, sind individueller geworden. Welchen Stellenwert räumt Mainz 05 den digitalen Möglichkeiten ein?
Dag Heydecker: „Es ist ganz normal, dass sich Sponsorenpakete auch immer den technischen Gegebenheiten und neuen Möglichkeiten anpassen. Dazu gehören natürlich auch digitale Plattformen wie Club-TV, Webpräsenz oder Social Media. Man darf bei Vermarktungsaktivitäten in den Clubmedien aber auch nicht vergessen, dass immer eine Balance bleiben muss. Wenn der vereinseigene Social Media Kanal nur noch Werbefläche wird und keinen Content für Fans bietet, wird das von den Usern schnell kritisch gesehen. Sensibilität zu zeigen für Timing, Inhalte und Stimmungen sind immens wichtig.“
web-netz: Den Vertrieb über das Marketing auszusteuern, gilt als geläufig. Wie agiert Mainz 05 in diesem Kontext?
Dag Heydecker: „Wir haben mit der Firma Infront im Jahr 2015 eine zehnjährige Vermarktungspartnerschaft geschlossen. In diesem Rahmen läuft die Vermarktung Hand in Hand zwischen der Marketing-Abteilung von Mainz 05 und Infront.“
web-netz: Welchen Nachdruck verleihen Sie der Internationalisierung?
Dag Heydecker: „Bei der Schaffung von Social Media Plattformen für die jeweiligen Länder- und Sprachzielgruppen unserer Starspieler geht es nicht nur um Marketing – hier geht es auch darum, eine Dialogplattform zu schaffen für Verein und Fans aus dem Ausland. Wir freuen uns, dass Mainz 05 nun auch über die Landesgrenzen hinaus ein Name geworden ist.“
web-netz: Der Japaner Joshinori Muto (Vertrag bis 2019) stürmt seit 2015 für Mainz 05. Hat das Mainz-Marketing mit dem Mittelstürmer Social Media Maßnahmen in Angriff genommen oder in Planung?
Dag Heydecker: „Natürlich bespricht man in diesem Kontext auch Partnerschaften mit Firmen und Unternehmen aus dem Herkunftsland unserer ausländischen Starspieler, aber da einen Automatismus vorauszusetzen, dass uns japanische Firmen nun die Bude einrennen, nur weil ein japanischer Nationalspieler in unseren Reihen spielt, ist viel zu kurz gegriffen. Partnerschaften machen oft nur in nachhaltiger Form Sinn. Dafür ist das Fußballgeschäft zu kurzlebig, um auf fluktuierenden Verträgen von Fußballern internationale Partnerschaften zu basieren.“
„Hand in Hand in flachen Hierarchien“
web-netz: Der neue Präsident Johannes Kaluza nannte Ziele wie Mitgliederorientierung, Identifikation, die Wiederherstellung des Einzigartigen von Mainz 05. Inwieweit werden bei Mainz 05 Doppelpässe gespielt zwischen Marketing und Vorstand, zu dem auch Rouven Schröder gehört?
Dag Heydecker: „Als Geschäftsführer sind wir natürlich eingebunden in alle Entscheidungen auf operativer und vereinsführender Ebene. Grundsätzlich sind die Dienstwege hier sehr kurz, wir arbeiten eng zusammen und agieren Hand in Hand und in flachen Hierarchien.“
web-netz: Wie sieht sich Mainz 05 im Fußball-Bundesliga-Nachbarschaftswettbewerb mit Eintracht Frankfurt, Darmstadt 98 und dem 1. FC Kaiserslautern aufgestellt und welche Marketingstrategie erwächst daraus?
Dag Heydecker: „Grundsätzlich halte ich es für schwierig die Situation der Vereine miteinander zu vergleichen. Jeder Club hat seine eigenen speziellen Bedingungen und sein eigenes Umfeld. Eintracht Frankfurt hat eine große Geschichte und kommt aus einer riesigen Stadt, die zu den wirtschaftlichen Zentren Europas gehört. Hier identifizieren sich Fans und Firmen schon seit Jahrzehnten mit dem Club. Der 1. FC Kaiserslautern sieht sich als pfälzischer Traditionsverein und setzt sehr stark auf Emotionalität in diesem Bereich.“
web-netz: Eintracht Frankfurt sieht sich laut Aussage von Vorstand Axel Hellmann als „Avantgarde in der Bundesliga“ bezüglich Digitalisierung/Sponsoring. Was macht das mit Mainz 05 aus der Nachbarschafts- und Rivalen-Perspektive?
Dag Heydecker: „Als wir vor gut 12 Jahren erstmals auf der Bundesligabühne erschienen sind, hat niemand erwartet, dass zwischen diesen beiden namhaften Clubs ein zartes Pflänzchen wie Mainz 05 nachhaltig wachsen kann. Wir haben dies aber geschafft und wachsen nach wie vor, wirtschaftlich und was unsere Fanbase angeht. Wir schreiben unsere Geschichte erst noch. Bislang haben wir immer gut daran getan nicht so viel auf andere zu schielen, sondern uns darauf zu konzentrieren unsere eigenen Aufgaben gut zu machen. An dieser Strategie halten wir fest.“
web-netz: „Premium“ ist Bestandteil ihres Trikotsponsors „Kömmerling – Premium Fenster“. Welche digitalen Doppelpässe spielt Mainz 05 mit dieser Marke der profine GmbH, die die Bezeichnung Premium verdienen?
Dag Heydecker: „Natürlich sind auch digitale Maßnahmen in unserem Sponsoringvertrag enthalten. Die profine GmbH erhält auch Präsenz auf unserer Website und den weiteren Club-Medien. Darüber wie genau diese ausfallen, sind wir mit Kömmerling und unserer Social Media Abteilung immer im Austausch, um auch aktuelle Trends und Stimmungen einbeziehen zu können. Uns ist wichtig, dass Werbung auch passt – erst dann ist es eine Win-Win-Situation für Club, Partner und Fans.“
web-netz: Social Media und Marketing – hier beschreibt die Presseabteilung des FSV Mainz 05 die interne Aufgabenteilung:
„Social Media wird bei uns in der Presseabteilung betreut und untersteht nicht der Marketing-Abteilung. Wir sehen die Social Media Kanäle als Medium bzw. Kommunikationskanal, bei dem sicher auch das eine oder andere Mal ein Post für Partner abgesetzt wird, deren Hauptfunktion aber die des direkten Kommunikationswegs von Informationen für die Fans und Öffentlichkeit ist.“
In den folgenden Fragen spielte uns Tobias Sparwasser, Geschäftsführer Medien/PR, die Bälle zurück. Anmerkung: Herr Sparwasser ist nicht verwandt mit dem ehemaligen Topstürmer Jürgen Sparwasser, der 1974 bei der WM in Deutschland im legendären Gruppenspiel in der 78. Spielminute den 1:0-Siegtreffer für die damalige DDR-Elf gegen die damalige BRD-Mannschaft um Kapitän Franz Beckenbauer erzielte.
Ein Hoch auf hochwertigen Content!
web-netz: Mit welcher Facebook-Strategie will der FSV Mainz 05 die aktuelle Marke von etwa 444.000 Fans ausbauen und die halbe Million-Hürde nehmen?
Tobias Sparwasser: „Bei uns geht Qualität über Quantität. Außer der Schaffung von qualitativ hochwertigem Content gibt es meines Erachtens keine Strategie, die automatisch für mehr Likes sorgt – außer wenn man diese einkauft – und den Verein im Internet garantiert erfolgreicher und interessanter macht. Davon ist das Fanverhalten und das Interesse an einem Verein von zu vielen Faktoren abhängig – unter anderem vom sportlichen Erfolg, den keine Facebook-Strategie der Welt beeinflussen kann.
Darüber hinaus ist Facebook für uns kein vorrangiger Vertriebskanal, sondern wie schon an anderer Stelle in diesem Interview erwähnt, ein Nachrichtenkanal mit direkter Feedback- und Kommunikationsmöglichkeit für unsere Fans. Unser Anspruch ist es, ihn mit qualitativ hochwertigem, interessantem und auch exklusivem Content zu bestücken, damit unsere Fans auch außerhalb des Stadions das Gefühl haben, nichts rund um ihren Verein zu verpassen. Wir sind der Auffassung, dass dies ein guter Weg ist, die Fans für unseren Facebook-Kanal zu begeistern.
Kostenfrei: TV-Kanal auf YouTube
web-netz: Welche Gewichtung und welche Prioritätensetzung favorisiert Mainz 05 in den Social Media-Kanälen?
Tobias Sparwasser: „Jedes unserer Vereinsmedien wird entsprechend seinen eigenen Merkmalen genutzt und mit Inhalt bestückt. Texte setzen wir auf die Website, da passen sie besser hin als zur Bilder-Applikation Instagram. Tweets eignen sich für kurze schnelle Nachrichten, Facebook für längere Posts, die auch mal die User zur Diskussion anregen. Unseren 05er.tv-Kanal kostenfrei auf YouTube statt mit Bezahlschranke auf der Website anzubieten, schafft eine weitere Möglichkeit für unsere Fans, ihren Verein hautnah und überall auf der Welt zu erleben.“
web-netz: Wie werden 05-Sponsoren in der Social Media Kommunikation integriert?
Tobias Sparwasser: „Hier stehen wir im steten Austausch mit unseren Sponsoren, um die Leistungen, die sie im Sponsoring-Paket gebucht haben, auch optimal und im Gleichklang mit Kanal, Zeitpunkt und Verein umzusetzen, wie Dag Heydecker im Interview bereits erläutert hat. Es muss einfach passen, vom Zeitpunkt, vom Inhalt und auch von der Frequenz her.“
web-netz sports bedankt sich beim FSV Mainz 05 und wünscht maximalen Erfolg – sportlich und digital.
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