Seit diesem Sommer ist Amazon die wertvollste Marke der Welt. Nicht zuletzt wegen seines unnachahmlich erfolgreichen Marktplatzes. Mittlerweile handeln hier sechs Millionen Händler über 230 Millionen Produkte. Während die Goldgräberstimmung der White-Labellers auf Amazon langsam abebbt, realisieren gestandene Marken erst langsam die Bedeutung Amazons für ihre Vertriebsstrategie. Noch schleppender kommen die Fußballclubs unserer Nation in Gang. Nur eine Hand voll großer Vereine hat sich des Themas angenommen und drückt selbstbestimmt mit der eigenen Markenbotschaft und den Merch-Produkten in den Markt. Der Rest schaut skeptisch prüfend auf den Marktplatz. Und Drittanbieter nutzen die Chance, die Vereinsprodukte zu vertreiben.

Über die Hälfte aller Produktsuchanfragen starten auf Amazon

Knut Keymer, Mitglied der Geschäftsleitung des VfL Bochum, stellvertretend für die kritisch-prüfende Haltung vieler Clubs: „Dass Amazon mit seinem Marketplace eine enorme Reichweite bietet, ist natürlich auch uns bekannt. Wir beobachten dabei auch ganz genau die Aktivitäten unserer Mitbewerber und tauschen uns mit denen hierzu aus. Unser Fokus liegt allerdings aktuell zunächst auf dem Relaunch unseres eigenen Shops – das schließt aber keinesfalls einen zukünftigen Verkauf über Amazon aus.“

Diese kontrollierte defensive Position hat Gründe. Diese Zahlen liefern Gegenargumente: mittlerweile shoppen 96 Prozent der Deutschen auf Amazon. 54 Prozent aller Produktsuchanfragen gehen an Amazon. Einige Clubs – auch aus der Bundesliga – starten bereits durch auf Amazon. Auch in Europa. Ob Giganten wie Juventus Turin und Real Madrid dabei sind? Das zeigt unser Überblick!

Umsatz-Offensive mit Amazon

Wer also auf Amazon verzichtet, verzichtet auf Umsatz und die Chance seinen Club der breiten Masse zu präsentieren. Die Möglichkeiten seinen Verein in Szene zu setzen sind dabei vielseitig. Wer eine identitätsstiftende Marke aufbauen will, tut dies am geschicktesten über einen Amazon Store.

Amazon Stores

  • sind für alle registrierten Marken kostenlos verfügbar und
  • lassen sich in kürzester Zeit an den eigenen Markenauftritt anpassen.

Beste Voraussetzungen also, um auch auf dem Amazon-Spielfeld seine digitale Spielphilosophie zu etablieren und einen hohen Wiedererkennungswert für die Fans zu kreieren.

Dass ausgerechnet ein italienischer Verein genau diese Vorzüge zuerst erkannt hat und sich für eine offensive Herangehensweise entschieden hat, verwundert dann doch ein wenig. Überzeugen italienische Vereine im sportlichen Wettkampf vor allem durch ihre überragende Defensivarbeit, hat sich der SSC Neapel bei seinem Amazon-Auftritt für eine erfrischend offensive Spielweise entschieden und so den vermeintlich größeren europäischen Clubs gezeigt, wie ein gekonnter Doppelpass mit Amazon aussieht. Garniert mit einem passenden Video, indem Star-Trainer Carlo Ancelotti eigenhändig im Werbeclip als Amazon-Bote Prime-Kunden höchstpersönlich beliefert, runden das gelungene Amazon-Debüt sehenswert ab.

Star-Trainer Carlo Ancelotti als Amazon-Influencer

Screenshot Youtube Carlo Ancelotti

Carlo Ancelotti überrascht Fans vom SCC Neapel als Amazon-Bote. – Das ganze Video gibt es beim SCC Neapel auf YouTube zu sehen.

Wer nun aber meint, dass mittlerweile sämtliche Branchengrößen nachgezogen hätten, um auch auf Amazon ihre Überlegenheit zu demonstrieren, ist weit gefehlt. So suchen Anhänger von Real Madrid, FC Barcelona, Manchester United oder Juventus Turin momentan noch vergebens nach einer eigenen Shopping-Welt beim Online-Versandriesen. Vielmehr stoßen sie im Zuge ihrer Recherche auf Vereine wie Betis Sevilla, Olympique Lyon oder AS Rom, die ihre digitalen Vertriebskanäle bereits an die neuen Spielregeln angepasst haben.

Bundesliga auf dem Vormarsch

Gibt es im internationalen Vergleich nur vereinzelte Beispiele, wie eine Integration von Amazon in die Vertriebsstrategie aussehen kann, wartet die Bundesliga bereits mit fünf Clubs auf, die sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt haben und Amazon aktiv in die Markenkommunikation mit aufgenommen haben. Erstaunlich daran, neben dem FC Bayern und Borussia Dortmund sind es aktuell nur die beiden Hauptstadtclubs sowie die TSG 1899 Hoffenheim, die ihren Fans ein kanalübergreifendes Einkaufserlebnis bieten. Vermeintliche Traditionsvereine wie Schalke 04, Borussia Mönchengladbach oder SV Werder Bremen zeigen sich hingegen noch abwartend und spielen eher auf Zeit. Doch warum wählen ausgerechnet die kleinen Vereine eine solch offensive Taktik? Wir haben uns einmal die unterschiedlichen Herangehensweisen näher angeschaut.

Marktplatz-Transfers – Beispiel FC Bayern

Screenshot Amazon

Berni, das Maskottchen vom FC Bayern München, hat für Besucher im weihnachtlichen Amazon Store nicht nur Artikel mit seinem Bild drauf. Bildnachweis: FC Bayern München Amazon Store

FC Bayern-Modell:

  • Eigener Amazon Store mit üblichen Fan-Shop Produkten (Trikots, Merchandising, kleinere Fanartikel)
  • Vorteil: Großteil der Produkte als Prime-Artikel verfügbar -> schnelle Verfügbarkeit für Fans deutschlandweit + Logistik wird durch Amazon übernommen
  • Auch saisonale Themen können im Bayern-Look gespielt werden, zum Beispiel Weihnachten
  • hilfreich, um internationale Märkte ohne großen Logistikaufwand zu erschließen.

Weihnachten 2019 werden nicht nur Bestseller wie der Echo Dot, der Fire TV Stick 4K oder die Alexa-Sprachfernbedienung über den virtuellen Amazon-Ladentisch gehen. Auch Trikots und andere Merchandising-Artikel von Fußballclubs werden stark nachgefragt sein. Dessen ist sich auch der FC Bayern bewusst und setzt bei seinem Amazon-Auftritt bewusst auf saisonale Themen im Bayern-Look und verlängert das Fan-Welt-Erlebnis gekonnt auch auf den Marktplatz.

Sieh an: Sichtbarkeit steigt stark an!

Screenshot Sichtbarkeitsindex

Amazon Verkäufer-Sichtbarkeitsindex vom FC Bayern München Store – Quelle: Sistrix.de

Saisons und Saisonales: Borussia Dortmund

Screenshot Amazon

Schwarzgelbe Weihnachten werden es dank Adventskalender und Christbaumkugeln vom BVB. Bildnachweis: Borussia Dortmund Amazon Store

Borussia Dortmund-Modell:

  • Eigener Amazon-Store mit üblichen Fan-Shop Produkten (Trikots, Merchandising, kleinere Fanartikel)
  • Auch saisonale Themen können im BVB-Look gespielt werden, zum Beispiel Weihnachten
  • Viele Artikel werden allerdings nicht über Amazon direkt versandt, sondern über den normalen Fanshop. Die meisten Prime-Artikel werden von Lizenznehmern angeboten.
Projektor strahlt Logo an Hauswand

Borussia Dortmund Logo-Projektor für echte Fans – Bildnachweis: Borussia Dortmund Amazon Store

Auch der BVB möchte aktiv auf dem Marktplatz mitmischen, dabei aber nicht zu viel Spielkontrolle abgeben, wie ein Blick auf die Anzahl an Prime-Produkten verrät. Hier setzen die Schwarz-Gelben lieber auf eigene Ressourcen, gehen damit aber auch ein gewisses Risiko ein. Wie web-netz erfuhr, laufen beim BVB Optimierungsdiskussionen für das Amazon-Business auf Hochtouren. Veränderungen bahnen sich an. web-netz bleibt dran.

Screenshot Sichtbarkeitsindex

Verkäufer-Sichtbarkeitsindex vom offiziellen BVB-Online-Fanshop auf Amazon – Quelle: Sistrix.de

TSG 1899 Hoffenheim stürmt zu mehr Umsatz durch Mega-Reichweite

Screenshot Amazon Store TSG Hoffenheim

Bildnachweis: TSG 1899 Hoffenheim Amazon Store

TSG 1899 Hoffenheim-Modell:

  • Eigener Amazon-Store mit vorrangig Spiel- und Trainingsbekleidung, ansonsten nur ganz wenige kleinere Fanartikel (Caps, Babykleidung)
  • Vorteil: Großteil der Produkte als Prime-Artikel verfügbar -> schnelle Verfügbarkeit für Fans deutschlandweit + Logistik wird durch Amazon übernommen
  • hilfreich, um internationale Märkte ohne großen Logistikaufwand zu erschließen und Bestellbarrieren zu eliminieren.

Die TSG 1899 Hoffenheim hat für sich gleich mehrere Vorteile ausgemacht und hat daher einen Brand Shop bei Amazon als neuen Absatzkanal eingerichtet. Alexander Wahler, seit 1. Januar Leiter Sponsoring & Vertrieb, verantwortet die Bereiche Sponsoring, Hospitality, Events und Merchandising beim badischen Fußballbundesligisten, erklärt:

Wir wollen mit Amazon unsere Merchandising-Umsätze erhöhen, indem wir unsere Reichweite ausbauen und neue Kundengruppen erschließen. 2018 hat Amazon Google als am häufigsten genutzte Produkt-Suchmaschine abgelöst. Daher haben wir es als relevant erachtet, unsere Produkte direkt über Amazon anzubieten. Über Amazon können Kundengruppen erreicht werden, die sich nicht direkt im TSG-Kosmos bewegen.

Für Wahler spielt das Thema Internationalisierung aktuell keine Rolle bei der Entscheidung pro Amazon: „Internationale Märkte sind für uns noch nicht relevant. Wir wollen erstmal unser Potenzial in Deutschland voll ausschöpfen bzw. müssten uns erstmal sportlich in der Europa oder Champions League etablieren, um eine nennenswerte Nachfrage im Ausland zu wecken.

Screenshot Sichtbarkeitsindex

Amazon Marken-Sichtbarkeitsindex der TSG 1899 Hoffenheim – Quelle: Sistrix.de

Hertha BSC & Union Berlin liefern sich rassiges Hauptstadt-Derby auch auf Amazon

Screenshot Amazon Store Herta BSC

Bildnachweis: Hertha BSC Amazon Store

Screenshot Amazon Store Union Berlin

Bildnachweis 1. FC Union Berlin Amazon Store

Gleich beide Hauptstadtclubs setzen sich mit eigenen Brand Shops bei Amazon (s.o.) in Szene und erhoffen sich so auch über die Stadtmauern hinaus eine größere Reichweite sowie die Erschließung neuer Zielgruppen. Auf Amazon geht das Stadt-Derby dabei eindeutig an die Unioner – so wie zuletzt auch auf dem Rasen – da sie ihren Store auch auffindbar machen und so die Fans gezielt zum Bummeln einladen. Die Türen zum Hertha-Store sind hingegen sehr versteckt und man fragt sich, wie die Nutzer überhaupt hineingelangen sollen. Die Frage steht im Raum: Store auf Anhieb gefunden?

Verkäufer-Sichtbarindex von Hertha BSC und Union Berlin

Screenshot Sichtbarkeitsindex

Amazon Verkäufer-Sichtbarkeitsindex Hertha BSC – Quelle: Sistrix.de

Screenshot Sichtbarkeitsindex

Amazon Verkäufer-Sichtbarkeitsindex Union Berlin – Quelle: Sistrix.de

Am Rhein regieren Handelspartner

Screenshot Amazon-Store FC Köln

Bildnachweis: 1. FC Köln Amazon Store

Der 1. FC Köln hat als Flaggschiff am Rhein seine Amazon-Aktivitäten komplett in die Hände eines Handelspartners gelegt und verzichtet auf die Bindung von Manpower. Der Kultclub aus dem Rheinland ist ein Beispiel für den Rest der Liga, die noch keinen großen Fokus auf den Absatzkanal gelegt haben. Noch schlägt das Pendel der Vorteile nicht zugunsten einer anderen Amazon-Aktivität.

Daten-Dilemma Amazon?

Als größter Nachteil im Amazon-Business wird immer wieder Datenverlust genannt. Wenn ein Fan im Online-Shop des Clubs ein Trikot kauft, wird der Käufer identifiziert. Informationen wie Vereinsmitgliedschaft und Dauerkarten-Inhabertum gesellen sich bestenfalls dazu. Fanartikel-Einkäufe bei Amazon spielen dem Club hingegen keine Kundendaten zu. Verbunden mit der Konsequenz, den Käufer nicht weiterführend im Nachgang direkt zu kontaktieren und ihn mit anderen Offerten zu locken, stellt sich bei vielen Verantwortlichen direkt eine Ablehnung gegenüber Amazon ein.

„Daten sind das neue Öl“ – diese These kommt hier ins Spiel und genießt hohe Bedeutung, so auch bei Consultant Ralf Leister, der explizit das Brand Shop-Businessmodell der TSG 1899 Hoffenheim wertschätzend thematisiert hat in seinem Artikel: Sollten Clubs Fanartikel über eigenen Amazon Brand-Shop verkaufen? Zwar wird auch hier der “Verlust” von Daten als großes Manko thematisiert, doch überwiegt doch viel mehr die Chance neue Daten zu generieren. Noch einmal, 96 % der Deutschen shoppen auf Amazon, das bedeutet doch auch, dass sich der Großteil der Fußballfans ebenfalls auf dem Marktplatz befindet und die vielen Vorzüge des Online-Riesen in Anspruch genommen werden.

Befürworter rufen auf: Warum sollte man das also nicht als große Chance betrachten und viel mehr hier neue Touchpoints bilden, um auch bisher unerschlossene Kundengruppen mit seiner Marke in Verbindung zu bringen? Wer möchte schon ein x-tes Konto bei einem Onlineshop eröffnen und vermutlich noch hohe Versandkosten zahlen, nur weil er einen Schlüsselanhänger vom FC Schalke 04 an seinen besten Kumpel verschenken möchte? Sprechen wir von Datenverlust oder ausgelassenen Großchancen?

Chancenbilanz für Clubs als Marktplatz-Händler

  • Unnachahmliche Reichweite von Amazon
  • Fans erwarten, dass Artikel auf Amazon verfügbar sind
  • 54 % aller Produktsuchanfragen in Deutschland gehen an Amazon
  • Conversion Rates bei Amazon sind die höchsten überhaupt
  • Sehr überschaubares Time-To-Market = Produkte können kurzfristig gelauncht und beworben werden
  • Nutzung der Amazon-Logistik = keine horrenden Mindestbestellwerte (aktuell werden Bestellwerte von 100€ gefordert, um eine kostenfreie Lieferung zu erhalten)
  • Internationalisierung problemlos und innerhalb kürzester Zeit möglich => interessante weitere Märkte
  • Konsistenter Markenauftritt über alle Vertriebskanäle hinweg

Hürden für Clubs auf Amazon:

  • Kein direkter Zugang zu Käuferdaten -> Es müssten begleitende Maßnahmen geplant werden, um an relevante Daten zu gelangen
  • Logistischer Aufwand vs. Ertrag -> Ein zusätzlicher Vertriebskanal bedeutet auch mehr Aufwand die Ware in den Lagern zu platzieren sowohl monetär als auch logistisch.

Kurze Übersicht, wie in Fußball-Europa das Amazon-Feld bespielt wird:

FC Liverpool Amazon Store

SSC Neapel Amazon Store

AS Rom Amazon Store

Betis Sevilla Amazon Store

Olympique Lyon Amazon Store

Fazit

Amazon polarisiert, keine Frage. Die kommerziellen Zahlen sprechen eine eindeutige Sprache, auch das ist keine Frage. Global Player und kleinere aufstrebende Clubs mit nationalem und dabei sogar regionalem Fokus bespielen das Amazon-Feld gleichermaßen. Champions League-Club FC Bayern München mit starker Internationalisierung ebenso wie Bundesliga-Aufsteiger Union Berlin, der als progressiv kritisch und non established eingestuft werden darf. web-netz ist sicher, dass in der Bundesliga vermehrt die Vorteile zu mehr Entscheidungen pro Amazon ausfallen werden.

 

Friedhelm

 

 

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