Unternehmensberater, Psychologen, Coaches und Trainer sind sich einig: Eine Krise bringt stets eklatant zum Vorschein, was bereits vorher latent als Schwachstelle und brachliegendes Potenzial existierte. So ist auch die Pandemie nicht alleine hauptursächlich verantwortlich für teilweise dramatische finanzielle Engpässe der deutschen Profifußballclubs. Das zeigt das Beispiel 1. FC Köln, wo die verstärkte Online-Offensive im Digitalen Marketing eine Spielmacher- und Gamechanger-Rolle einnehmen konnte. Beispielsweise machte das FC-Merchandising mächtig mobil. Da andere B2C-Themen wie Ticketing oder die Fußballschule in dieser Zeit weniger zum Tragen kommen, konnte der Fokus im CRM & Digitalen Marketing vor allem auf das Merchandising gelegt werden. Das Besondere daran: Der FC dokumentiert damit, dass wirtschaftlicher Erfolg auch unabhängig von rein sportlichen Ergebnissen auf dem Rasen machbar ist.
Inhalt
Merchandising-Einnahmen in der Bundesliga
In welchen Dimensionen, digitale Erfolge erzielbar sind, belegen im Bundesliga-Business diese Merchandising-Zahlen:
Laut DFL Wirtschaftsreport 2020 sind die Merchandising-Einnahmen der 18 Bundesligisten seit 2015/16 (201 Millionen €) rückläufig, sanken in der Saison 2018/19 auf 176 Millionen €. Das entspricht einem durchschnittlichen Anteil von 4,4% am Gesamtertrag der Bundesligisten. Ganz anders beim 1. FC Köln: Da fällt der Merchandising-Anteil vom Gesamtumsatz mehr als doppelt so hoch aus. Diese Vorbildrolle der Kölner im deutschen Profifußball haben wir genauer unter die Lupe genommen.
Bilanz-Booster
Bei diesem kölschen Coup tritt der FC-Onlineshop ähnlich wie ein Spielmacher und Torjäger federführend auf den Plan. Und dabei fällt vor allem auch die Bedeutung eines optimalen Timings auf: Denn wie auf dem Rasen kommt es auch auf dem rasanten Digitalfeld darauf an, vorausschauend strategische Systeme vorbereitend zu planen, um taktische Spielzüge zum Erfolg führen zu können. Das ist dem FC bestens gelungen. So konnten bereits vor dem Ausbruch der Pandemie annähernd zwei Drittel der Merchandising-Umsätze online generiert werden.
Fundamentale FC-Gleichung: Fanbase = Familie
Ganz Fußball-Deutschland weiß um die besondere Fanliebe, die dem FC zuteil wird. Doch auch die fällt nicht vom Fußballhimmel, sondern ist auch das Ergebnis eines jahrelangen familiären Miteinanders. FC-Geschäftsführer Alexander Wehrle, seit 2013 Mitglied der FC-Familie: „Wir haben mit über 111.111 Mitgliedern eine sehr große Fanbase, die sehr loyal ist, der Zusammenhalt im Club ist vergleichbar mit einer Familie. Das hat sich besonders in sportlich schwierigen Zeiten wie im Abstiegsjahr gezeigt, als unsere Fans uns in vielerlei Hinsicht die Treue hielten. Das spiegelte sich in den wenigen Kündigungen im Bereich der Dauerkarten wider, genauso wie in den positiven Merchandising-Umsätzen.”
Der Kölner Erfolgsweg in diesem Fall ist eng verknüpft mit Hauke Böckmanns Team, das in den vergangenen Jahren die digitalen Vertriebswege des FC professionalisiert hat und eine enorm hohe Umsetzungsqualität von Konzepten und Maßnahmenkatalogen feiern konnte. Diese PS auf dem Online-Vertriebsrasen führte dazu, dass das Merchandising für den Gesamtumsatz des Geißbock-Clubs einen exponiert starken Zugewinn erzielen konnte – und zwar deutlich erfolgreicher als der Liga-Trend.
Strategiewechsel im CRM / Digitalbereich
Beim FC zahlt sich die Kursjustierung aus, digitale Vertriebsthemen inhouse zu aktivieren und die eigene Expertise sukzessive zu verstärken. Throwback: So war die Spielzeit 2013/14, die für die Kölner mit dem umjubelten Wiederaufstieg in die 1. Liga endete, vor allem auch ein Jahr, in dem der strategische Hebel richtungweisend betätigt wurde, so Hauke Böckmann:
„Relevante Themen wie professionelles CRM wurden vom damals neuen Geschäftsführer Alexander Wehrle hoch priorisiert. Es wurde kontinuierlich weiterentwickelt und professionalisiert. Digitale Themen wurden verstärkt in Angriff genommen. Neue Datenquellen und Kanäle wurden erschlossen. Ganz wichtig war auch die Bündelung von Koordinierung und vertrieblicher Kommunikation aller B2C-Themen (Merch, Ticketing, Mitgliedschaften, Fußballschule, 24/Doku etc.) im Team CRM & Vertriebssteuerung. Eine 2015 erfolgte strategische Maßnahme, von der wir heute profitieren.“
Foto: 1. FC Köln
Interner “Dienstleistungsträger” für die FC-Fachbereiche
Böckmanns Bereich agiert dabei wie ein interner Dienstleister für die anderen FC-Fachbereiche: „Das benötigt viel Austausch und Abstimmung sowie großes Vertrauen, die Verantwortung tragen wir gerne und das auch sehr bewusst.“ Der CRM-Leiter betont dabei auch die FC-spezifischen Herausforderungen: „In einem Club mit so vielen Themen war das notwendig, um unsere Fans optimal und relevant anzusprechen, und gleichzeitig zu gewährleisten, dass sich interne Themen- und Produktplatzierungen nicht gegenseitig kannibalisieren.“
Knowledge is King: Intern Know-how aufgebaut
Fachspezifisches Know-how ist auch für Marketing & Vertrieb beim FC ein übergeordnetes Ziel, so Böckmann: „Von Anfang an haben wir uns auf das Ziel geeinigt, Know-how intern aufzubauen. Das ist für uns eine wichtige Voraussetzung, um die Themen stets optimieren und strategisch weiterentwickeln zu können. Zudem legen wir Wert darauf, autark und zu jeder Zeit handlungsfähig zu sein im dynamischen Umfeld der Fußball-Bundesliga.“
Erfolgreiches Scouting von externen Partnern generiert Know-how-Kick
Auch auf dem außersportlichen „Transfermarkt“ wurden leistungsstarke externe Partner frühzeitig ins Visier genommen, so Böckmann: „Da sind wir auf offene Ohren bei Philipp Deipenbrock (Leiter Service & Vertriebssteuerung) gestoßen. Die web-netz GmbH oder Dymatrix Consulting sind sinnvolle Verstärkungen von außen, mit deren Expertise frühzeitig Spezialisten-Wissen für digital erfolgreiche Spielzüge eingesetzt wird. Online-Marketing (Social Ads, Google Ads etc.) wird seit der Saison 2016/17 auf dem Marketing-Matchplan noch größer geschrieben.“
Hauke Böckmann (links) vom 1. FC Köln und web-netz zusammen on stage bei der OMK 2019 in Lüneburg. In dem Vortrag wurde ein Case im Bereich Ticketing vorgestellt.
Bild: Jan Axmann
Einer dieser externen Protagonisten ist der Bundesliga-Business erfahrene Online-Marketing-Experte Felix Benckendorff von web-netz, der als fundamentales Erfolgsgeheimnis neben der progressiven Erweiterung des Online-Marketing-Mix auch einen speziellen FC-Spirit aufs Feld führt: “Der FC unterstreicht seinen Ruf als einer der innovativsten Profifußballclubs Deutschlands, indem ohne Berührungsängste neue Kanäle, Content- und Kampagnenansätze in Angriff genommen werden. Aus dieser progressiven Herangehensweise heraus werden auch Startschwierigkeiten bewusst in Kauf genommen – und zwar ohne verängstigt auf die Bremse zu treten, sondern vielmehr den Gewinn aus den entsprechenden Learnings für erfolgreiche Kampagnen der Zukunft zu nutzen.”
Krisen-Station: Stationäre FC-Fanshops
Die größte Herausforderung für Clubs seit März 2020 im Bereich Merchandising stellten die ausfallenden Einnahmen aus den stationären Fanshops und den ausgefallenen Spieltagseinnahmen in den Stadion-Stores dar. Schnelle wirksame Antworten waren gefragt hinsichtlich der Kardinalfrage:
Wie bekomme ich als Verein insbesondere Stadiongänger und regional ansässige Fans, die außerhalb einer Pandemie vermutlich noch in großen Teilen stationäre Stores frequentieren, in meinen Online-Shop?
Marschroute: Voll auf Angriff
Wie im FC internen Kosmos die Frage möglicher Sofortmaßnahmen im Kontext der „Intensiv-Stationen“ behandelt wurde, beschreibt Böckmann so: „Es war uns unisono klar, dass wir den ohnehin schon großen Online-Fokus durch die Schließung der stationären Shops nochmals intensivieren mussten. Ziel war es, die Einbußen im Offlinebereich durch Mehrumsatz im eCommerce soweit wie möglich auszugleichen. Alle waren von der Marschroute beseelt, auf den digitalen Kanälen noch stärker zu performen und voll auf Angriff zu setzen. Die ohnehin schon sehr gute intensive Zusammenarbeit zwischen den Bereichen CRM und Merchandising um Leiter Dennis Steimel, wurde dabei nochmals auf ein neues Level gehoben.“
„Alle waren von der Marschroute beseelt, auf den digitalen Kanälen noch stärker zu performen und voll auf Angriff zu setzen.“- Hauke Böckmann
Foto: 1. FC Köln
Der CRM-Leiter macht dabei auch keinen Hehl daraus, „wie anstrengend die Zeit war“, betont aber auch die Steigerung des Selbstwertgefühls als Team: „Es hat uns sehr viel Spaß gemacht, denn unser CRM-Team war dadurch nur einen Monat in Kurzarbeit. Die Aufstockung des Teams und die gestiegene Relevanz haben wir als Lohn gefeiert.“
Ebenso die bezeichnende FC-Besonderheit, mitten in der Pandemie auch einen neuen Online-Shop-Launch gemeistert zu haben Anfang Oktober! „Nachdem wir im Frühjahr 2020 eine umfassende Status Quo Analyse unseres Online-shops zur Conversion-Steigerung anhand von verhaltenspsychologischen Ansätzen durchgeführt haben, waren aus Kostengründen zunächst nur kleinere Optimierungen geplant. Durch die äußerst kooperative Zusammenarbeit mit unserem langjährigen Fulfillmentpartner, der 004 GmbH, war es uns schließlich doch möglich, unseren Shop einem kompletten Redesign zu unterziehen. Auch wenn der Prozess durch die erschwerten Umstände keinesfalls einfach war, zeigen die Ergebnisse, dass die Mühen sich gelohnt haben“, sagt Dennis Steimel.
Kontrollierte Krisen-Offensive vs. kostenreduzierende digitale Defensive
Viele Profifußballvereine setzten zum digitalen Rückzug an und versuchten mit Kostenreduktionen auf eine Situation zu reagieren, die unter starkem Einfluss zunehmender Budgetbeschränkungen von oben standen. Die Alternative der kontrollierten Offensive wählten wenige. Der FC wurde belohnt dafür: Mut, Investitionsbereitschaft und Weiterentwicklung auch unter den Rahmenbedingungen der Pandemie ermöglichte die Erweiterung der ohnehin schon starken digitalen Formation der FC-Kanäle. Weitere digitale Touchpoints mit seinen Fans aufzubauen folgten dem Ziel, ausbleibende Einnahmen aus Spieltag und Ticketing bestmöglich zu kompensieren.
Shift umschifft die Klippen: 42% mehr Online-Merchandising-Umsatz
Dieser Shift von der analogen in die digitale Fanshop-Welt gelang dem FC auf bemerkenswerte Art. So steigerte sich seit Ausbruch der Pandemie der Online-Merchandising-Umsatz beim FC um 42% (16.03.2020 – 15.12.2020 vs. im entsprechenden Vergleichszeitraum 2019) – besonders erstaunlich, da sich die Anzahl an Fans im Online-Shop in diesem Zeitraum lediglich um ca. 11% steigerte. Hieraus lässt sich ableiten: Das Interesse an FC-Produkten stieg geringfügig an, der Kaufabschluss erfolgt nun jedoch verstärkt online. Untermauert wird diese Entwicklung mit einer Steigerung der Conversion-Rate von 77% im Vergleich zu 2019 und der nahezu Verdoppelung der Online-Käufe (+98,5%).
Trend trotzt Tabelle: Digitalerfolge vs. Durststrecke
Offenes Geheimnis: Kein Club bleibt beim Erfolg im Online-Marketing gänzlich unabhängig vom sportlichen Geschehen auf dem Platz. Somit lässt sich auf einer sportlichen Erfolgswelle des Teams auch in sämtlichen Bereichen des Vertriebs leicht reiten. Die sportliche Ergebnis-Performance der FC-Elf lieferte seit Ausbruch der Pandemie allerdings keinen kommerziellen Rückenwind für den Online-Vertrieb von Merchandising. So feierte die FC-Elf im betrachteten Zeitraum in 20 Ligaspielen lediglich 2 Siege.
Karnevalstrikot: Kassenschlager in der Krise
Mit dem Launch seines Karnevalstrikots am 11.11.2020, als sich auf dem Rasen vor leeren Rängen die Serie von 17 sieglosen Spiele ereignete, gelang dem FC ein sensationell erfolgreicher Trikotlaunch, wie FC-Protagonist Steimel bestätigt, sogar ein historischer: „Es war der beste Karnevalstrikot-Launch ever, nur das Europa-Trikot 2017 und das Traditionstrikot 2018 waren noch erfolgreicher!“
Dabei war der Erfolg des Trikots auf diesem Hype-Level gar nicht abzusehen: „Sportliche Misere, steigende Covid-Zahlen, Absage des Kölner Karnevals am 11.11. – kurzum die Stimmung war in dieser Zeit sogar in Köln nicht gut. Wir überlegten. Können wir ein Karnevalstrikot rausbringen, obwohl Kölner kein Karneval feiern können? Alle Fachbereiche setzten sich zusammen und entschieden, eine Trikotkampagne mit dem Aufruf ‚Zesamme allein fiere – bleibt zu Hause‘ auszuloben“, erklärt FC-Geschäftsführer Wehrle.
Wie stark auch im Club die Bedeutung von Karneval in Köln gelebt wird, der FC selbst ein Teil davon ist, die FC-Fans beides als gefühltes Dreamteam wahrnehmen, spiegelte dann das Video – das Böckmann noch heute begeistert: „Der Film von der Kölner Flutlicht-Film OHG, die seit Jahren FC-TV verantworten, traf die Gemütslage vieler Kölner auf den Punkt: ‚Auch wenn wir nicht Karneval feiern können, wir lassen uns nicht unterkriegen!“
Die Emotionalisierung der Fans und Sympathisanten mit dieser auf die Fans ausgerichteten Video-Kampagne löste durch begleitende Online-Marketing-Maßnahmen einen Nachfrage-Push innerhalb der FC-Fan-Communities sowie der gesamten Region aus. Ergebnis: Beeindruckende Verkaufszahlen.
Kaderstärke ermöglicht Kölns Krisenkönner-Kompetenz
Die interne Manpower im FC-Kosmos von Vertrieb & Marketing darf als eines der Erfolgsgeheimnisse bezeichnet werden, so Böckmann, der die Kaderverstärkungen in den Jahren mit zu verantworten hat: „Das ist ja wie auf dem Rasen elementar. Deshalb bin ich auch sehr dankbar, dass unsere Geschäftsleitung diese konstruktive Personalpolitik progressiv betreibt.“
Fazit
„Der 1. FC Köln profitiert in sportlichen und gesellschaftlichen Krisenzeiten von seinem seit Jahren professionell betriebenen Online-Marketing.“
„Der Weg dieser Professionalisierung erfolgte in kleinen Schritten. Es wurden über den messbaren Erfolg der Online-Maßnahmen sukzessive Kanäle, Kompetenzen und interne Ressourcen aufgebaut und in diese investiert. Das Bestreben des FC, auch zeitintensive und komplexe Themengebiete eigenständig und erfolgreich zu übernehmen, verstärkt das Know-how und die digitale Eigenständigkeit des Teams rund um Hauke Böckmann. Aufgrund des inzwischen professionell aufgestellten Online-Marketings und der Kontrollmöglichkeiten per Online-Erfolgsmessung kann der FC mutig gegen den Strom der Liga schwimmen und investieren, während andere Clubs ihre Budgets runterfahren.“
Viele Grüße nach Kölle,
Friedhelm
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